Veltros saß hinter seinem Schreibtisch und las beim Schein einiger Kerzen in einem Buch, das aussah, als hätte es Gutenberg noch nicht gekannt und alle gedruckten Bücher nur mit einem missbilligenden Blick angesehen. Sonderbare Schriftzeichen, manche schon verblasst, zierten die Seiten und der Umschlag, aus altem Leder gefertigt, schien ebenso bei Kerzenschein gemacht worden zu sein.
Der Schulleiter, obgleich geschickt genug, tausend Kerzen mit bloßen Gedanken zu beschwören, bevorzugte es, bei zweien zu lesen, die ihm vollkommen ausreichten, zumal es noch nicht vollkommen dunkel war. Aber der Schulleiter war es gewohnt, bei schlechtem Licht zu lesen. Zeit seines Lebens hatte er bei Kerzenlicht gelesen und diese Gewohnheit hatte er nicht abgelegt. Er würde sie nie ablegen.
Aber seine Augen litten nicht. So wenig wie seine Knochen litten, seine Haut oder die Farbe seiner Haare. Er war älter, als es jemand wissen mochte. Ja, niemand in dieser Schule wusste gewollt von seinem kleinen Geheimnis, das über 600 Jahre alt war. Aber ein Segen war es nicht.
Bald würden die Schüler eintreffen. Erstaunlicherweise hatte sich Veltros an diese Arbeit gewöhnt, die so gar nicht zu ihm passen mochte. Nein, er hatte die Menschen gescheut, so lange Zeit gescheut. Und nun war er hier! in einer Schule!
Aber er hatte sich daran gewöhnt. Er hatte sich an alles gewöhnt.
Plötzlich war ein leises Flattern zu hören. Er sah ruhig von seinem Buch auf und zu der Gestalt, die sich schwarz am Fenster abhob. Er klappte langsam das Buch zusammen, nicht ohne ein altes Lesezeichen hinein zu tun und erhob sich. Er strich dem Raben, der ein leises Krächzen vernehmen ließ, kurz über den Kopf, nicht mehr, als eine flüchtige Bewegung, einem Toten nicht ungleich, der die Wangen des Schlafenden in dessen Traum streicht.
"Nun kehrt das Leben wieder", meinte er beinahe flüsternd und ging zu einer kleinen Garderobe, von der er seinen dunklen Umhang nahm. Diesen zog er um, er wog schwer auf seinen Schultern.
Seine Worte hatten nicht etwa erfreulich geklungen. Mehr wie die des Todes, der seine Arbeit beklagt. Mit den Fingern erdrückte er die Flammen und das Licht erlosch, während er das Schulleiterbüro verließ.